Aus dem Referat von Bürgermeisterkandidat Christian Pospischil bei der Jahreshauptversammlung der SPD Attendorn am 16.03.2014
[…] Lasst mich etwas ausführlicher zum Innenstadtentwicklungskonzept Stellung nehmen.
Eine querschnittliche Arbeitsgruppe innerhalb der Verwaltung hat viele Ideen zusammengetragen. Daran ist erstens zu loben, dass das Entwicklungskonzept (fast) die ganze Innenstadt unter verschiedenen Aspekten in den Blick nimmt. Zweitens finden viele einzelne Vorschläge meine Zustimmung. Die Fachleute in der Verwaltung haben hier ganze Arbeit geleistet. Das Konzept ist eine gute Diskussionsgrundlage für die Weiterentwicklung unserer Innenstadt.
Der Vollständigkeit halber muss man allerdings hinzufügen, dass viele ältere, zum Teil sogar schon beschlossene Vorschläge in das Entwicklungskonzept eingeflossen sind. Als Beispiele nenne ich nur mal Parkdeck und Kreisel am Feuerteich oder den Durchbau der Anselm-Dingerkus-Straße.
Ausdrücklich positiv finde ich beispielsweise die Herrichtung größerer Grünflächen vor allem im Schüldernhof, die Schaffung von Platzsituationen, die Einbeziehung des Kirchplatzes, die Erweiterung der Parkmöglichkeiten am Ennester und am Niedersten Tor. Völlig unbestritten müssen wir endlich die Tore sichtbar als Eingangstore zur Stadt gestalten. Auch ist die Absicht lobenswert, das Kölner Tor so aufzuwerten, dass es einen Gegenpol zum Allee-Center darstellt. Mehr als überfällig ist die Verkehrsberuhigung der Ennester und Niedersten Straße. Die dazu gemachten Vorschläge begrüße ich.
Aber noch sind viele Fragen offen. Wir werden noch intensiv über verschiedene Aspekte nachdenken und diskutieren müssen. Und angesichts der geplanten Bürgerbeteiligung sollten wir zuhören, was die Bürger zu sagen haben. Jetzt haben die Bürger das Wort. Für die Politiker ist jetzt die Zeit, Fragen zu stellen, um das Entwicklungskonzept weiterzuentwickeln. Ich frage:
– Wie soll unsere Innenstadt barrierefrei umgebaut werden? Das Entwicklungskonzept nennt das zwar auch als Ziel, zeigt aber noch keine konkreten Schritte auf. Auf unseren Antrag hin wurde Geld in den Haushalt eingestellt, um ein Handlungskonzept für mehr Barrierefreiheit zu erstellen. Das Konzept muss jetzt darum ergänzt werden.
– Wie entwickelt sich die Zahl der Parkplätze in der Innenstadt insgesamt? Auf dem Feuerteich und auf dem ehemaligen Busbahnhof sollen Parkdecks gebaut werden. Das Entwicklungskonzept sieht aber auch vor, dass mitten in der Stadt hier und dort Parkplätze entfallen, zum Beispiel vor der Sparkasse, am Klosterplatz, im Tangel oder im Schüldernhof. Werden es insgesamt mehr oder weniger? Unserer Meinung müsste es das Ziel sein, an allen Toren mehr Parkraum zu schaffen. Und letztlich fragen wir: Wann wird endlich das Parkraumkonzept vorgelegt, das der Stadtrat schon vor Jahren bestellt hat?
– Warum wird ausgerechnet der harmonisch gestaltete Klosterplatz für einen Ankermieter vorgesehen, während Standorte wie die Alte Post, der Parkplatz im Tangel oder die Immobilie Kemmerich vor sich hindämmern? Erinnert sich niemand mehr an die Beschlüsse vor einem Jahr, als der Stadtrat eine Bebauung des Feuerteichs ablehnte und genau die eben genannten Alternativflächen favorisierte? Welchen historischen Wert hat der Klosterplatz? Und warum schreibt der Stadtarchivar, wenn er sich zum Entwicklungskonzept äußert, eigentlich über die Truchsess´schen Wirren und den Zunftaufstand im 15. Jahrhundert, aber nicht ein Wort über die historische Bedeutung des Klosterplatzes?
– Warum spielt eigentlich das Wassertor im Entwicklungskonzept keine Rolle? Natürlich gibt es wichtige und weniger wichtige Entwicklungsbereiche. Aber Wassertor und Wasserstraße hätten eine Aufwertung nötig. Das Wassertor war früher das Haupttor in der Stadtmauer, noch heute ist hier ein wichtiger Zugang zur Stadt, und schon lange schwächelt der Einzelhandel in der Wasserstraße.
– Warum wurden eigentlich in den Neunziger Jahren die Einbahnstraßen in Attendorn weitgehend abgeschafft? Die Antwort kann ich gleich mitliefern: Weil sie zu vielen Umgehungsfahrten und letzten Endes zu mehr Verkehr führten. Warum sollen es jetzt wieder viele Einbahnstraßen geben und dazu einige Straßensperrungen? An einigen Stellen mag dies nötig sein. Zum Beispiel in der Ennester Straße, denn bei Begegnungsverkehr kann man hier nicht mehr Raum für Fußgänger schaffen. Aber ich würde dazu raten, dieses Mittel nur mit Vorsicht und in gut begründeten Einzelfällen anzuwenden.
– Ich hätte auch noch einige Fragen bezüglich der Verkehrsführung in der östlichen Innenstadt. Aber diese Fragen möchte ich hier einmal beiseite lassen, weil sie mit der Innenstadtentwicklung im engeren Sinne nichts zu tun haben.
– Und die letzte Frage schließlich: Wo liegen eigentlich die Prioritäten im Entwicklungskonzept? Welche Maßnahmen sind diejenigen, die unsere Stadt am dringendsten braucht?
Noch einmal zur Klarstellung: Ich finde, das Entwicklungskonzept ist im Großen und Ganzen ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn ich länger über offene Punkte als über richtige Ansätze gesprochen habe, soll das zur Abrundung des Konzeptes dienen, nicht dazu, es zu diskreditieren.
Wir werden das Entwicklungskonzept an unseren Prioritäten messen, die wir uns auch ins Wahlprogramm geschrieben haben. Dies sind:
1. Verkehrsberuhigung und attraktivere Gestaltung von Niederster und Ennester Straße. Dies ist das A und O einer Neugestaltung der Innenstadt. Der Bereich zwischen Allee-Center und Fußgängerzone muss vom Aschenputtel zur Prinzessin der Innenstadt werden, damit wir nicht zwei voneinander getrennte Zentren bekommen, sondern ein attraktives Scharnier dazwischen.
2. Ein Frequenzbringer mit größeren Ladenlokalen in der Innenstadt, bevorzugt am Standort der Alten Post. Meine Damen und Herren, darauf lege ich Wert. Wir wollen einen solchen Frequenzbringer in der Stadt, auch weil der bestehende Einzelhandel davon profitieren kann, wenn zusätzliche Läden in größeren Ladenlokalen mehr Menschen in die Stadt ziehen. Die Stadt muss bereit sein, eine solche Ansiedlung auch finanziell zu unterstützen.
3. Ein sukzessive barrierefreier Umbau der Innenstadt. Wir wollen unser optisch ansprechendes Pflaster nicht einfach herausreißen, aber wir wollen nach Lösungen suchen, damit gehbehinderte Menschen oder Rollstuhlfahrer jede Straße ohne Probleme passieren können.
4. Die Schaffung von mehr Plätzen mit Aufenthaltsqualität.
5. Mehr Ruheorte und grüne „Oasen“ in der Innenstadt.
Bei den letztgenannten Punkten sehe ich das Konzept schon dem richtigen Weg.
6. die Schaffung von mehr (senioren- und behindertengerechtem) Parkraum im Bereich der Stadttore und ein gutes Parkleitsystem,
7. Prüfung der Integration neuer gastronomischer Angebote bei allen Bauprojekten, Unterstützung der bestehenden Gastronomie durch die Stadt. Dies klingt nach einer Selbstverständlichkeit, eine solche war es aber leider bisher nicht.
8. Einbeziehung des Bürgerhauses Bahnhof als Frequenzbringer für die Innenstadt. Denn wir brauchen nicht nur eine schöne Innenstadt, sondern auch eine, in der kulturell was los ist.
Wir brauchen Treffpunkte: Deshalb werden wir uns zu Beginn der neuen Legislaturperiode auch dafür einsetzen, dass ein Jugendcafé in der Innenstadt eingerichtet wird. Wir müssen dafür sorgen, dass auch die Jugendlichen endlich ihren Platz oder ihren Raum in der Innenstadt haben.
Wie soll es aber jetzt weitergehen? Am ersten Aprilwochenende gibt es eine sogenannte Ideenwerkstatt, bei der alle interessierten Bürger ihre Meinung oder Ideen einbringen können. Das ist gut so! Aber ich lese in einer Presseerklärung der CDU, dass das Innenstadtentwicklungskonzept wie vorgelegt schon genau richtig sei. Der Stadtarchivar, auch ein Mitglied der Verwaltung im Übrigen, fordert hanseatisches Denken von allen ein. Das heißt für ihn im konkreten Fall: Bitte keine Meinungen vortragen, die vom Vorschlag der Verwaltung abweichen.
Meine Damen und Herren, Bürgerbeteiligung heißt: Du darfst Deine Meinung sagen.“ Sie heißt nicht: „Du darfst deine Meinung sagen, solange sie mir nicht widerspricht.“ Das fordere ich von der CDU und allen Hanseaten dieser Stadt ein. Und dafür machen wir uns als SPD stark.
Übrigens ist es auch wichtig, wie verbindlich mit den Anregungen der Bürger umgegangen wird. Wann wird das Zwischenergebnis nach der Ideenwerkstatt vorgestellt? Vor der Wahl oder nach der Wahl? Wer entscheidet eigentlich, welche Bürgervorschläge konkret in die weitere Planung einfließen? Denn unter den Bürgern und den Teilnehmern der Ideenwerkstatt wird es etwa beim Thema Klosterplatz sowohl Befürworter als auch Gegner einer Bebauung geben. Es wäre keine echte Bürgerbeteiligung, wenn sich der Bürgermeister nur die Ideen rauspickt, die ihm gefallen.
Wir wollen einen neuen Aufbruch für die Stadt, liebe Genossinnen und Genossen. Wir wollen echte Bürgerbeteiligung. Wir wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen und ihre Meinung mit ins Rathaus nehmen. So wie wir es bei SPD vor Ort, bei vielen Bürgergesprächen und –versammlungen, in Internetforen oder einfach im persönlichen Gespräch schon seit Jahren gemacht haben. Deshalb wird die Attendorner SPD am 26. März ein Stadtgespräch veranstalten. Dort sind alle Bürger eingeladen, um mit uns über das Entwicklungskonzept zu diskutieren.
In diesem Sinne möchte ich mich als Bürgermeister dafür einsetzen, dass Politik, Einzelhandel, Gastronomie, Hauseigentümer, Anwohner und alle Attendorner gemeinsam anpacken, meinetwegen nach kontroverser Diskussion, um unsere Innenstadt attraktiver zu machen. Wir sollten noch dieses Jahr Dinge mit Signalwirkung auf den Weg bringen. Das könnte zum Beispiel die Gestaltung der Stadttore sein. Vor allem aber wollen wir keine Minute zögern, um den Verkehr in der Ennester und Niedersten Straße zu beruhigen und diese ansprechender zu gestalten. Leider haben CDU, FDP und Grüne durch den Beschluss, das Verkehrskonzept und die schon an sich kontraproduktiven Straßensperrungen in Ennest und im Schwalbenohl ein Jahr probeweise einzuführen, dafür gesorgt, dass ein weiteres Jahr nicht umgebaut werden kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum sollte es uns eigentlich gelingen, mehr Leben in die Stadt zu bringen? Andere versuchen das doch auch! Was sind denn unsere Vorzüge? Ich glaube, wir in Attendorn haben den Vorzug, dass wir eine charmante historische Altstadt haben, in der man sich schnell wohlfühlt. Viele Attendorner hängen mit Herzblut an ihrer Innenstadt. Da kann keine der Nachbarstädte mithalten. Und diesen Vorzug müssen wir pflegen. Wir wollen die Stadt nicht einfrieren, aber wir müssen sie mit Augenmaß verändern. Die Stadt hat in diesem Punkt eine Vorbildfunktion. Die Stadt muss ihren historischen Bestand hegen, pflegen und herausputzen. Erst dann kann sie von Privatleuten verlangen, dass diese ebenfalls in historische Bausubstanz investieren.
Wenn wir es schaffen, unsere Stadt an neue Anforderungen anzupassen, ohne dass sie ihren Charme verliert, haben wir gute Chancen, wieder mehr Leben in unsere Innenstadt zu bringen.