–Kommentar von Wolfgang Langenohl: Vorsitzender der SPD in Attendorn–
125 Jahre SPD in Attendorn – damit spiegeln sich natürlich auch 125 Jahre Sozialdemokratie in der 800 Jahre alten Stadtgeschichte, mit all ihren Höhen und Tiefen. Gegründet wurde die Attendorner SPD noch im Kaiserreich, auf freiem Feld am Heiderbaum. Damals ging es zum Beispiel darum, gegen Privilegien der oberen Gesellschaftsschichten anzukämpfen und die eigenen harten Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Eine warme Wohnung, Arbeitsschutz sowie unterhaltsichernde Einkommen waren für zahllose Arbeiterfamilien ein unerreichbarer Traum.
Die Mitglieder der örtlichen Attendorner SPD gingen in jenen Tagen mit ihrem politischen Engagement auch stets ein persönliches Risiko ein. Der Verlust des Arbeitsplatzes und Versammlungsverbote waren alltäglich. Solche und auch zahlreiche andere Ereignisse verdeutlichen die schwierige Situation, in der sich aktive SPD-Mitglieder um die Jahrhundertwende befanden. Sie haben damals für etwas gekämpft, was uns heute als selbstverständliche Errungenschaft erscheint: das Recht auf politische Meinungsfreiheit und vor allem auf freie Meinungsäußerung. Der Kampf um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen war gerade für Attendorn von besonderer Bedeutung, war es doch von der industriellen Entwicklung des 19. Jahrhunderts besonders geprägt. Die eisen-, blech- und metallverarbeitenden Industriebetriebe beschäftigten zahlreiche Arbeiter.
Nach der Machtergreifung Hitlers begannen die Nationalsozialisten, Parteien und freie Gewerkschaften zu zerschlagen und alles, wofür sich Sozialdemokraten bis dahin eingesetzt haben, zu zerstören. Viele Mitglieder der SPD haben in dieser Zeit unter Einsatz ihres Lebens aktiven Widerstand geleistet. Sie waren überzeugte Gegner der Nationalsozialisten. Unter schwierigen Bedingungen in der Zeit zwischen 1933 und 1945 standen Sozialdemokraten in Attendorn für Demokratie und Freiheit, für soziale Gerechtigkeit, für den Schutz des Einzelnen ein. Damit ist die 800-jährige Geschichte der Hansestadt Attendorn, die wir in diesem Jahr feiern, untrennbar mit sozialdemokratischem Engagement verbunden.
Natürlich haben sich die sozialdemokratischen Ziele im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer wieder verschoben und aktualisiert. Vieles, was vor 125 Jahren noch als Utopie galt (etwa der Acht-Stunden-Arbeitstag), ist heute selbstverständlich. Dafür sind neue Ziele dazugekommen, beispielweise mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Und manche Ziele sind auch – wenngleich in anderer Form – wieder aktuell geworden.
Um den grundsätzlichen Zugang zum Versicherungsschutz geht es heute zwar nicht mehr, wohl aber ist die Frage nach der solidarischen Finanzierung der Gesundheitsversorgung wiederholt auf der Tagesordnung. Die alte Forderung der Sozialdemokratie nach gleichen Rechten und Pflichten im Gesundheitsschutz ist also keineswegs überholt. Sie findet in der Forderung nach einer Bürgerversicherung ihren Ausdruck.
Was vor 125 Jahren unsere Zielsetzung war, gilt heute nicht weniger: Wir wollen eine Gesellschaft, die den Wert von Solidarität und Mitverantwortung fördert. Die Attendorner SPD handelt nach diesen Vorstellungen. So haben ihre aktiven Mitglieder bis heute die Hansestadt Attendorn und ihre Dörfer als lebenswerte Orte maßgeblich mitgestaltet. Zwar sind sie noch immer industriell geprägt, laden aber zum Verweilen und dort Leben ein.
Aktuell bleibt vor allem die Idee der Attendorner Sozialdemokratie, eine politische Heimat für Menschen verschiedener Altersgruppen und Herkunft zu sein. Auch 159 Jahre nach der Parteigründung, und fast 126 Jahre nach der Gründung der Attendorner SPD ist diese attraktiv für jeden, für den die Demokratie mit der Frage des sozialen Ausgleichs verbunden ist. Demokratie muss aktiv gelebt werden, damit sie funktioniert. Die demokratische Ordnung lebt von großer Geduld beim Zuhören und außerordentlicher Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen. Politische Teilhabe und sozialer Ausgleich sind gerade heute, unter den Bedingungen der weltweiten Veränderungen, drängende Herausforderungen. Sie werden uns in Zukunft dauerhaft begleiten.
Ich wünsche der Hansestadt Attendorn für den Start in ihr neuntes Jahrhundert alles Gute!