aS: Der Rat der Stadt Attendorn hat sich trotz der Warnungen der SPD für die Erschließung eines Baugebiets in Petersburg durch die Volksbank Attendorn entschieden. Was hat die Volksbank in Petersburg konkret vor?
Antwort: Die Volksbank Bigge-Lenne möchte in Petersburg in einem ersten Bauabschnitt kurzfristig rund 40 Baugrundstücke erschließen. Im Flächennutzungsplan sind diese Flächen als Wohnbauflächen ausgewiesen, die Umsetzung ist also möglich. In einem zweiten Bauabschnitt sollen noch einmal rund 35 Grundstücke hinzukommen. Diese Flächen sind allerdings nicht einmal im Regionalplan dargestellt. Zur Umsetzung bedarf es also sehr umfangreicher Bauleitplanverfahren.
aS: Das hört sich doch für alle Bauwilligen zunächst gut an. Warum die Bedenken?
Antwort: Uns stört im Wesentlichen der spätere Verkaufspreis, der sich bei durchschnittlich mindestens 160 Euro pro Quadratmeter bewegen wird. Die Hansestadt Attendorn hat im vergangenen Jahr in Neu-Listernohl Grundstücke für 125 Ä/m2 verkauft und orientiert sich dabei am aktuellen Bodenrichtwert. In Petersburg liegt der Bodenrichtwert übrigens bei 110 Ä/m2. Selbst wenn die Erschließungskosten gestiegen sind, ist dieser geplante Verkaufspreis nicht akzeptabel.
aS: Die Volksbank argumentiert, dass auf dem Preisniveau des Bodenrichtwerts keine Baugrundstücke erschlossen werden können.
Antwort: Zwei Dinge müssen wir unterscheiden. Die Stadt verkauft ihre Grundstücke nicht gewinnorientiert, sondern nach objektiv festgelegten Bodenrichtwerten, die der Gutachterausschuss des Kreises Olpe festlegt. Die Volksbank Bigge-Lenne möchte einen Preis erzielen, mit dem sie Gewinne macht. Einige Bauwillige sind sicherlich bereit, auch 200 Euro für einen Quadratmeter zu bezahlen; das richtet sich nach dem Marktgeschehen. Fakt ist, dass sich die Preise bei einem 600 Quadratmeter großen Grundstück im Vergleich zu einer städtischen Entwicklung um mindestens 30.000 Euro, bei Fremdfinanzierung auch um 40.000 Euro erhöhen. Egal, wie dick die Brieftasche ist: Das tut jedem Bauherrn weh. Dabei können, wie in Neu-Listernohl geschehen, die Grundstücke sehr wohl zum Bodenrichtwert angeboten werden. Voraussetzung dafür ist, dass man den Grundstückseigentümern keine „Mondpreise“ bezahlt, wie scheinbar in Petersburg geschehen.
aS: Hätte die Hansestadt Attendorn diese Fläche nicht kaufen können?
Antwort: In der Vergangenheit sind alle Grundstücke, ob durch Erschließungsträger oder durch die Stadt selbst erschlossen, mit geringen Aufschlägen in Anlehnung an den Bodenrichtwert veräußert worden. Übrigens im Konsens mit allen im Rat vertretenen Parteien. Die SPD-Fraktion und Bürgermeister Christian Pospischil hätten gern einen solchen Grundsatzbeschluss für alle Grundstücksverhandlungen. Dann hätte es diese Kontroverse nicht gegeben. Grundstückseigentümer und Investoren hätten klare Spielregeln. Diese werden nun für einen Investor, wie im aktuellen Fall die Volksbank Bigge-Lenne, außer Kraft gesetzt.
aS: Welche Konsequenzen ergeben sich aufgrund der hohen Preise?
Antwort: Die von der Volksbank Bigge-Lenne angestrebten Verkaufspreise von mindestens 160 Ä/m2 führen zu einem deutlichen Anstieg der Bodenrichtwerte in Attendorn. Wenn heute die Differenz zwischen Petersburg und Ennest rund
60 Ä/m2 beträgt, dann wird nach der Erhöhung der Preise für Petersburg der Bodenrichtwert für Ennest und andere vergleichbare Lagen in Attendorn angepasst. Derzeit liegt in Ennest der Bodenrichtwert schon bei 170 Ä/m2, das bedeutet: Wir landen bei Bodenrichtwerten von über 200 Ä/m2. Damit können immer weniger Bauinteressierte ihren Traum verwirklichen, Baugrundstücke für den geförderten Wohnungsbau werden fehlen und auch die Preise für Bestandsimmobilien steigen.
aS: Es wird häufig behauptet, man müsse nur genug Baugebiete erschließen, dann fallen die Grundstückspreise. Stimmt das?
Antwort: Eine solche Entwicklung ist auf dem Grundstücksmarkt eine Illusion. Dies liegt daran, dass wir mit Grund und Boden per Gesetz sparsam umgehen sollen, also nicht beliebig erschließen können. Die Versiegelung soll deutlich zurückgefahren werden. Damit bilden sich lokale Grundstücksmonopole. Was dann mit den Preisen passiert, sehen wir nun in Petersburg. Das Grundgesetz spricht übrigens von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, das heißt: Eigentum soll auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Das wird gerne von den „liberalen Marktverehrern“ vergessen.
aS: Wie wird die Entwicklung in Attendorn nach Deiner Einschätzung weitergehen?
Antwort: Es gibt Gewinner und Verlierer bei diesem Prozess. Verloren hat vor allem die Stadt, deren Verhandlungsposition gegenüber Grundstückseigentümern geschwächt ist. Sie werden die Preise nun bestimmen und lieber mit Investoren verhandeln. Verloren haben aufgrund steigender Grundstückspreise aber auch alle Bauwilligen und Erwerber von Immobilien. Sie werden nun deutlich tiefer in die Geldbörse greifen müssen. Gewonnen haben die Grundstückseigentümer durch eine Stärkung ihrer Verhandlungsposition. Ob alle Investoren glücklich über diese Entwicklung sind, muss man abwarten. Denn diese können nun auch gegeneinander ausgespielt werden.
Abschließend möchte ich noch einmal unterstreichen, dass wir uns gut vorstellen können, das Projekt mit der Volksbank Bigge-Lenne durchzuführen. Wir halten es dabei aber für notwendig, eine einheitliche und im Sinne der städtischen Baulandentwicklung nachhaltige Lösung zu verfolgen.
aS: Vielen Dank für die klärenden Worte. Wir hoffen, damit unseren Bürgerinnen und Bürgern die Sachlage deutlicher gemacht zu haben, denn die Wenigsten kennen sich auf diesem Gebiet aus. Du bist als Städteplaner, der für den Märkischen Kreis beruflich zuständig ist, ein Experte. Nochmals herzlichen Dank!